Die IWC Ingenieur gehört zu den Uhren, die von Uhrenfreunden meist recht wenig beachtet werden. Selbst unter IWC-Fans rangiert die Ingenieur weit hinter den Modellen der Flieger-, Portugieser- oder Da Vinci-Kollektionen von IWC. Doch warum wird diesem Zeitmesser so wenig Liebe entgegengebracht? Begeben wir uns auf Spurensuche.

Im Schatten der Konkurrenz

 

IWC konstruierte die Ingenieur 1955 ursprünglich als zuverlässiges Werkzeug für Menschen, die häufig in der Nähe starker Magnetfelder arbeiten, also Ärzte, Elektroingenieure oder Eisenbahner. Dazu wurde das Uhrwerk extra mit einem Weicheisenmantel versehen, um einen entsprechenden Schutz zu gewährleisten. Die Uhr hatte jedoch vom Start weg einen schweren Stand. Die Platzhirsche Rolex und Omega hatten die Zeichen der Zeit nämlich ebenfalls erkannt und mit der Milgauss bzw. der Railmaster amagnetische Uhren auf den Markt gebracht, die der Ingenieur schnell den Rang abliefen.

 

Um der Kollektion zu mehr Glanz zu verhelfen und sie von der Konkurrenz abzusetzen, engagierte IWC Mitte der 1970er-Jahre den renommierten Uhrendesigner Gérald Genta. Dieser hatte wenige Jahre zuvor die Royal Oak kreiert und Audemars Piguet damit einen echten Hit beschert. Genta verpasste der Ingenieur ein komplettes Redesign inklusive integriertem Gliederarmband und breiter Lünette mit sichtbaren Zierschrauben. Das Zifferblatt bekam zudem eine Struktur, die von Millimeterpapier inspiriert war. IWC stellte die Uhr 1976 unter der Bezeichnung Ingenieur SL der Öffentlichkeit vor und es hätte alles so schön sein können. Dummerweise stahl eine andere von Genta designte und fast zeitgleich vorgestellte Uhr der Ingenieur die Show: die Nautilus von Patek Philippe. Den riesigen Schatten, den Royal Oak und Nautilus warfen, konnte die Ingenieur nie wirklich verlassen. Deshalb entschloss sich IWC Anfang der 1990er-Jahre dazu, die Serie vorübergehend einzustellen.

 

 

Genta-Hype sorgt für Auftrieb

 

Mittlerweile gehört die sportliche IWC Ingenieur wieder fest zum Programm von IWC. Ironischerweise könnte der anhaltende Hype um Nautilus und Royal Oak der Ingenieur endlich die Anerkennung einbringen, die ihr gebührt. Während die Uhren von Patek und AP in immer absurdere Preisregionen abdriften und bei den Konzessionären Wartezeiten bis zu mehreren Jahren die Regel sind, ist die Nachfrage nach Uhren im berühmten Genta-Design groß wie nie. Uhren wie die Tissot PRX – von einigen auch spöttisch als „Poor Man’s Royal Oak“ bezeichnet – finden reißenden Absatz. Die Vacheron Constantin Overseas ist ein weiteres Beispiel für eine Uhr, die vom Rummel um Nautilus und Co. profitiert.

 

Auch IWC hat den Trend erkannt und die Ingenieur 2023 neu aufgelegt. Das Design der Ingenieur Automatic 40 entspricht fast genau dem Originalentwurf von Gérald Genta. Einzig der neu hinzugekommene Kronenschutz gibt der Uhr eine etwas modernere Anmutung. Als Zifferblattfarben stehen Schwarz, Weiß, Silber und die Trendfarbe Grün bereit.

 

Und der Plan scheint aufzugehen. Immer öfter zeigen sich Hollywood-Größen wie Dwayne „The Rock“ Johnson, Justin Theroux, Taika Waititi oder Jimmy Fallon mit der Ingenieur am Handgelenk. Auch Profisportler wie die NBA-Stars PJ Tucker, Jimmy Butler oder Josh Christopher setzen mehr und mehr auf den sportlichen IWC-Zeitmesser.

 

 

Auf Marktplätzen wie Chrono24 ist deutlich zu erkennen, dass das Interesse an der Ingenieur in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Besonders Vintage-Exemplare aus den 1970er- und 80er-Jahren sind gefragt, aber auch die aktuellen Modelle finden immer mehr Fans. Die Gründe für den Erfolg liegen auf der Hand: Man bekommt mit der Ingenieur eine hochwertige Luxusuhr einer renommierten Marke, deren Design aus der Feder von Gérald Genta stammt und die nur einen Bruchteil dessen kostet, was man für eine Nautilus oder Royal Oak anlegen muss.

 

Die Aussichten für die IWC Ingenieur sind also durchaus freundlich. Den Kultstatus der Konkurrenz wird die Uhr zwar höchstwahrscheinlich nie erreichen, doch wird ihr endlich die Anerkennung zuteil, die ihr so lange verwehrt